Wahrlich, ich sage euch (neudeutsch: alles, was jetzt kommt, ist in echt passiert): es geschehen merkwürdige Dinge in diesem Land.
Da ist ein alter Kerl, nennen wir ihn Helmut W. aus E., der nicht besonders nett ist. Er säuft und prügelt sich gern, nicht mal seine wohlerzogenen Kinder schätzen ihn sonderlich.
„Wenn der Alte mir auf fünf Meter zu nahe kommt,“ sprach sein Sohn anlässlich der Beerdigung seiner Mutter, „vergesse ich mich. Ich hab nen schwarzen Karategürtel, sagen Sie ihm das.“
Ich überlasse es eurer Vorstellung, warum der Sohn das mitteilte. Helmut W. aus E. zog es vor, der Beisetzung seiner Gattin fernzubleiben. Eines hatte er jedoch sofort spitz: dass die Gleichberechtigung, die er der Verstorbenen zeitlebens nicht gönnte, nun ihn in Form einer Witwerrente ereilte. Welche er nebst seiner Altersrente munter versäuft. Da er dies Zeit seines Lebens so gehalten hat, reichen beide Renten zusammengenommen nicht aus, das hierzulande festgesetzte Daseins-Minimum zu erfüllen. Er bezieht zusätzlich noch etwa hundert Euro Grundsicherung.
Bis unsere allseits geschätzte Regierung die sog. Mütterrente einführt. Hocherfreut hält Helmut W. aus E. im letzten Herbst seinen neuen Witwerrenten-Bescheid in den Händen.
„Boh-ey, ein ganzer Hunni mehr!“
Womit er sich den verdient hat, fragt er sich lieber nicht. Bevor es ihm aber gelungen ist, seine Mütterrente in Wodka umzurechnen, sagt das Grundsicherungsamt: NJET MEIN SOHN!
Nicht, dass die wie unsereine Schreianfälle kriegen, weil diese Mütterrente a) Männern zuteil wird, die biologisch nie in der Lage waren, Mutter zu werden oder b) Kerlen, die nicht mal soziale Väter waren, zugute kommt. Das Grundsicherungsamt sagt sich einfach nur: prima, soll doch die Rentenkasse für den alten Suffkopp aufkommen, wir sind nicht mehr zuständig!
Helmut W. aus E. hat nun genau so viel oder wenig wie zuvor. Ihm ist sowieso wurscht, wer für ihn zahlt. Nur eines könnte ihn fuchsen: der Rentner aus der Villengegend, der zu seiner formidablen Pension nicht noch Grundsicherung braucht, darf sich über das Plus dank Mütterrente der verschiedenen Gemahlin freuen. Aber darüber denkt Helmut W. aus E. ebenso wenig nach wie über die Zukunft. Dass das Ömmaken von nebenan beizeiten weniger Rente erhalten wird, weil die Mütterrente die Ressourcen der Rentenkasse schmälert – nicht sein Bier.
Nun, dieser Scherz, der leider keiner ist, wird bei Diskussionen um die Mütterrente ebenso verschwiegen wie der folgende wahre Fall in Debatten um den Mindestlohn:
Eine Frau, nennen wir sie Rita P. aus D., arbeitet sozialversicherungspflichtig für 420 € brutto in einem Kleinstbetrieb. Sowohl ihr als auch ihrer Chefin ist es wichtig, über die Sozialversicherung Beiträge in die Rentenkasse einzuzahlen – wenngleich nicht viel, fühlt man sich doch als Mitglied einer Solidargemeinschaft. Welche Rita P. aus D. auch in Anspruch nehmen muss: sie stockt ihren Lohn mit Hartz 4 auf – man gönnt sich ja sonst nichts.
Die Einführung des Mindestlohns bedeutete das Ende der solidarischen Handlungen. Denn eine sozialversicherungs-pflichtige Beschäftigung setzt 15 Wochenstunden voraus, was in ihrem Falle mit dem Mindestlohn kollidiert. Da ihre Chefin Rita unbedingt braucht und Rita nicht auf den Kopf gefallen ist, verhandeln die beiden und es kommt ein Minijob dabei heraus. Rita P. aus D. wird nun acht Wochenstunden für 370 € Monatslohn arbeiten, was genau ihrem vorherigen Nettolohn entspricht. Ihre Chefin ist Kleinstunternehmerin, kann nicht mehr zahlen. Dafür, dass Rita nun weniger arbeitet, darf sie selbst 7 Wochenstunden mehr hinlegen und spart 50 € Netto vom alten Brutto.
Schlecht für die Sozialkassen, denn Kleinvieh macht auch Mist.
Dass dies auch schlecht für Rita P. aus D. ist, hätte sie sich bei ihren Verhandlungen nicht träumen lassen. Sie teilt deren Ergebnis dem Jobcenter mit, das ihr Hartz 4 neu berechnet. Rita staunt nicht schlecht, als sie dem neuen Bescheid entnimmt, dass sie nun 25 € weniger pro Monat erhält. Denn mit dem Sinken des Brutto=Nettolohns, so schreibt unser allseits geliebtes A.-Amt, hat sich die Freibetragsgrenze verändert: für Rita verschlechtert. Ihre Kosten hingegen sind gestiegen, denn die Bahn hat pünktlich die Fahrpreise erhöht.
Im Gegensatz zu Helmut W. aus E. kann Rita P. aus D. rechnen: 25 € monatlich machen 300 weniger im Jahr. Da muss sie die Karibikreise auf Kosten der Steuerzahler wohl verschieben. Denn von nichts anderem träumen die Hartzer schließlich, wenn man den einschlägigen Medien Glauben schenken darf…
17. Oktober 2016 um 12:33 Uhr
Einfach nur unglaublich, mehr kann man dazu schon garnicht mehr sagen.