Astrid Petermeier

Neues aus dem Rührgebiet


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KLIRRENDES JUBILÄUM

„Wieso pfeift dieser Schiri nicht ab? Ist bei dem Zuhause nix los?“
Ist ja ne Frage, die man sich durchaus stellen darf, wenn der BVB gegen WOB 2:0 führt. Ach, das war mal richtig schön neulich mit meiner ganzen Familie in der Porreebar. Ein Prosit auf die Frau vom Nachbartisch, die mich mit diesem Ausspruch beglückte.

Ungefähr so wie die Uhren dieses Schiris tickt auch meine innere Uhr. Da dachte ich, dass vor genau einem Jahr bei mir die große Scheibe zu Bruch ging und was ist? Vertan, vertan, sprach der Hahn, das war vor einem Jahr und drei Wochen. Da habe ich also mein Jubiläum des klirrenden Schreckens verpasst.
Ich hatte mir ein Auto geliehen, um in aller Frühe zu einem kleinen und keineswegs spaßigen Ausflug nach D’dorf (das bei uns ja Dummsdorf heißt) aufzubrechen. Bei der Rückkehr in meinen Hinterhof sehe ich es. Besser gesagt: glotze auf das, was mal meine große Glastür zur Terrasse war. Es ist eine Art Schockstarre: statt Angst spüre ich Unglauben, so als fügten sich die Scherben gleich wieder zu einer Scheibe zusammen. Mir fällt nur eine Frage ein: wieso ist das Hoftor eigentlich nicht verschlossen?
Ach so: es ist ein sonniger Sonntagvormittag und so ein Doppelglas mit zwei Wackersteinen einzuwerfen, muss einen Lärm sondergleichen gemacht haben. Die Wackersteine liegen noch da, als wären sie mehrfach von der Scheibe abgeprallt.
Zum Glück ist ein guter Freund bei mir, dem sofort einfällt, die Polizei zu rufen. Mir kommt nicht mal die Idee, dass die Einbrecher noch drin sein könnten, dass mir Gefahr droht. Sie sind es nicht. Ich sehe, dass ich jetzt keinen Fernseher und keinen Labtop mehr habe – beide Geräte ordentlich ausgestöpselt, die verbleibenden Kabel liebevoll über die Sofalehne gelegt. Keine Unordnung, kein Durchwühlen, kein Vandalismus.

Bumm, angekommen: auf diesem Labtop war die erste Fassung meines Romans mit dem Arbeitstitel:
WENN DU DIE GÖTTER AMÜSIEREN WILLST, MACHE DIR EINEN PLAN.

Bin ich nicht vor einem Monat noch stolz und glücklich gewesen, zum ersten Mal in meinem Leben so eine lange, große Geschichte „zu Ende“ geschrieben zu haben? Nicht, dass es die erste Geschichte war, die ich schrieb. Doch nie zuvor hatte ich diesen Punkt erreicht. Immer blieb eine Unzufriedenheit, ein so-geht-es-nicht.
ARRGH! Da fällt mir ein, dass auch alle anderen auf diesem Labtop sind. Weg! Alles weg!

Schreibarbeit aus zwanzig Jahren. Jetzt wäre es an der Zeit, eine Runde zu heulen. Oder an so dämliche Worte wie Sicherungskopie zu denken. Die Polizei lenkt mich davon ab. Wenn ich mal mit der Polizei zu tun kriege, ist eine blonde Polizistin mit Pferdeschwanz dabei. Das war schon so, als vor Jahren in einer anderen Stadt Vandalen mein Auto ruinierten. Das Großstadtrevier lässt grüßen.

Ich bitte sie, mit meinem Nachbarn zu sprechen. Der hört immer alles, sogar, wenn in der Nebenwohnung einer Yoghurt löffelt. Da ich ausgesprochen gern Yoghurt löffle und sogar nach Einbruch der Dunkelheit noch eine Tastatur zu bedienen wage, hat er mich noch nie zur „Nachbarin des Jahres“ gewählt (eine Musikanlage habe ich jedenfalls nicht und wenn, dann hätte ich sie sowieso nur bis zu diesem Tag gehabt). Seit vier Jahren protokolliert er jede meine Regungen, vom nächtlichen Gang zur Toilette bis zur Auswahl des Fernsehprogramms.
Am 7. April 2013 endlich kam sein Tag der Rache des kleinen Mannes: um Fünf, sagte er, habe ich mal wieder entsetzlich rumgelärmt. Danach will er fest geschlafen haben.
Die Polizistin ist beeindruckt davon, dass er Kaffekochen als Lärm empfindet, bei zwei dicken Wackersteinen in meine Scheibe jedoch ratzen kann.

Ich stelle fest, dass noch mehr fehlt. Das Portemonnaie aus meiner Schreibtischschublade (Inhalt 20 €, bin ja nicht reich). Mein Goldschmuck, bestehend aus drei winzigen Kettchen, die man sorgsam aus 5 Pfund buntem Modeschmuck herausgesucht hat. Soviel Zeit muss sein, nicht wahr? Ha, ihr Deppen, das Portemonnaie, das offen auf der Anrichte lag, das habt ihr wohl übersehen. Da war mehr drin!

Und noch was habe ich euch zu sagen:
der Fernseher war erstens Größe Mäusekino und zweitens sowieso kaputt. Versucht mal, eine DVD zu gucken und ihr werdet’s merken. Der Labtop war asbach-uralt, nämlich von 2007 und damals schon nicht das neueste Modell. Sonst hätte ich ihn wohl kaum als Dreingabe zu einem Händivertrag bekommen.
Zwanzig Euro, drei Goldkettchen und zwei Mal Elektronikschrott – da ward ihr aber mal richtig erfolgreich!
Ich gehe mit Gehässigkeit gegen das immer lauter werdende böse Wörtchen Sicherungskopiein meinem Kopf vor.

Verdorricht, ihr geschätzten Götter, was war euer Plan?