Astrid Petermeier

Neues aus dem Rührgebiet


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Feministinnen – Generationen

Manchmal verdrehe ich die Augen und komm‘ mir vor wie meine eigene Omma. Wenn junge Feministinnen meinen, das Ei der Colomba entdeckt zu haben, möchte ich ihnen ein Buch von 1981 auf den Tisch knallen. Wenn sich Intersektionale und Terfs kloppen wie die Besenbinderinnen, möchte ich sie dran erinnern, wie gut der Lesben-Hetera-Streit der Frauenbewegung Ende der 70er getan hat. Wenn von ‚Personen mit Uterus‘ gesprochen wird, frage ich mich, warum Frauen nun auch noch hinter Persona = Maske versteckt werden. Wenn ich als Smartphoneverweigerin nicht nur außen vor bin, sondern auch noch ständig auf Instagram als Quelle verwiesen werde…

Und doch erledigt sich vieles davon, wenn wir einander näher kommen. Persönlich, im Gespräch, Aug‘ in Aug‘ mit Anfassen. Wenn wir Alten lächeln können, weil wir uns dran gewöhnen müssen, dass Diskussionen sich im Laufe der Zeit wiederholen und dass Medien sich verändern. Wenn wir gemeinsam drüber lachen, dass Arthrose genauso lästig ist wie Menstruationsblut auf Reisen. Wenn wir sehen, dass gemeinsames Erfahren uns gut tut.

Deshalb beneide ich die Frauen in Stuttgart, die an Workshops teilnehmen können, in denen es u.a. um das Jung-Alt-Problem geht.

Empowerment – Frau im Fokus

– Kreative Selbsterfahrung für Frauen von 18 bis 88

4 Workshops. 2 Workshop-Leiterinnen. Eine fast 30. Eine fast 60.

Elisa Barth ist Kunsttherapeutin und Claudia Dorka ist Gestalttherapeutin & Coach. Wir setzen Impulse und kommen gemeinsam mit den Teilnehmerinnen ins Gespräch, experimentieren, erkunden. Wir sammeln Erfahrungen, wenden das, was zum Thema gehört, spielerisch von rechts auf links und nutzen dabei auch kreative Elemente aus der Kunsttherapie und der Theaterarbeit. (Mehr dazu in dieser Ankündigung: Kursbeschreibungen_Frau im Fokus_Stuttgart  Anmelden könnt ihr euch hier.

Für die Ruhrgebietlerinnen etwas weit weg – oder eine Reise wert – möchte ich dennoch auf diese Workshops hinweisen. Vielleicht hat sogar eine Ideen, wie wir die Workshopleiterinnen mal zu uns holen können…

(Abbildung: Frans Hals, Malle Babbe, 1633-35, wikimedia commons)


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Die Gewalt des § 218 – Eine Bilderreise durch 150 Jahre Körperpolitik

28. 11. 2023, 19 Uhr im Dietrich-Keuninghaus, Leopoldstr. 50-58,
44147 Dortmund (Einlass 18.30 h, Eintritt frei)

Seit 1871 werden Frauen mit dem Abtreibungsparagrafen in Notsituationen gedrängt und der Selbstbestimmung über ihre Körper beraubt. Am Kampf gegen den § 218 haben sich immer auch Künstlerinnen mit Bildern und Plakaten beteiligt.
In einer Bilderreise stellt die Kunsthistorikerin Astrid Petermeier die Geschichte dieser Kämpfe und der Gewalt vor, die mit dem Verbot von Verhütung und Abtreibung ausgeübt wurde.

Käthe Kollwitz, Schwangere Frau, 1910

Käthe Kollwitz‘ ‚Bilder vom Elend‘ entstanden in einer Zeit, in der sogar noch Klara Zetkin und Rosa Luxemburg Schwangerschaft für eine ‚Privatsache‘ hielten und dem Kampf die Unterstützung verweigerten. Als Frauen 1919 endlich das Wahlrecht erhielten, begriffen SPD und KPD, dass sie deren Stimmen mit dem Kampf gegen § 218 erobern konnten.
Doch erst auf immensen Druck der Frauenbewegung mit der „Aktion 218“ brachte die sozialliberale Koalition 1971 eine Fristenlösung ins Parlament, die vom Bundesgerichtshof kassiert wurde. Künstlerinnen wie Jula Dech, Maina-Miriam Munsky und Barbara Kruger verdeutlichten, was für ein Schlachtfeld der Politik der weibliche Körper ist. Nach der Wiedervereinigung protestierten Frauen in Ostdeutschland mit „Mail-Art gegen § 218“ gegen das Geschenk aus dem Westen: auch für sie wurde Abtreibung nun ein Straftatbestand.

Im Anschluss an den Vortrag moderiert die Journalistin Claudia Dorka ein Gespräch mit Frauen aus der Schwangerschaftskonfliktberatung.


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Kunstgeschichte ganz speziell: mal feministisch, mal astrologisch

Kunst ist eine Möglichkeit, die Welt und unser Leben bildhaft wahrzunehmen und auf diese Weise Fragen noch einmal neu, anders, intensiver zu stellen. Ich nutze diese Möglichkeit in diesem Jahr

  1. um die Politik, die mit Frauenkörpern betrieben wird, aufzuzeigen und
  2. in einer Artikelserie über kunsthistorische und astrologische Entwicklungen.

Bildgestaltung Heike Hampel, Dresden

Vortrag und Diskussion

  • am 23. 11. 2023 in Dresden (für Genaueres bitte diesem link folgen) und
  • am 28. 11. 2023 in Dortmund, Keuninghaus, Leopoldstr. 50-58, 19.00 Uhr

Künstlerinnen haben den Kampf gegen den § 218 von 1880 bis heute begleitet. Meine Bilderreise durch 150 Jahre Körperpolitik will darstellen, wie Gebärfähigkeit betrachtet und ausgeschlachtet wird, wie Frauen instrumentalisiert und ihrer Eigenverantwortlichkeit beraubt werden. Käthe Kollwitz ‚Bilder vom Elend‘ stammen aus einer Zeit, in der nicht einmal Rosa Luxemburg wahrhaben wollte, welche Politik auf den Körpern und dem Leben von Frauen ausgetobt wurde. In den 1920ern spiegeln Bilder von Hannah Höch oder Alice Lex-Nerlinger das gewachsene Selbstbewusstsein der Frauen. Und doch mussten noch von 1970 bis heute Künstlerinnen mit Gemälden und Plakaten deutlich machen, dass Frauen keine kopflosen Hühner sind, die die Pille danach wie Smarties fressen, sollte sie rezeptfrei erhältlich sein (Jens Spahn/CDU, 2014).

Am Dienstag, 28. November ‘23 um 19 Uhr im Keuninghaus in Dortmund wird die anschließende Podiumsdiskussion mit Frauen aus der sog. Konfliktberatung von Claudia Dorka moderiert. Eintritt frei, ich freue mich auf euch.

Wer mehr darüber lesen will, kann das hier tun.

 

Kannst du als Kunsthistorikerin und Astrologin etwas beitragen zum ‚Meridian‘-Schwerpunkt über Kunstmalerei? Zum Beispiel einen Artikel, der die kunsthistorische Entwicklung mit dem Verlauf der Gestirne abgleicht?

https://sternwerkstatt.de/artikel/236-20/

So lautete die Anfrage, die ich im Sommer erhielt. Meridian ist die deutsche Fachzeitschrift für Astrologie und ich fand’s toll, von der Redaktion angefragt zu werden. Das Thema klang spannend und zugleich war ich skeptisch. Es hätte ja sein können, dass da gar nichts bei rauskommt.

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Lesung aus MAGDALENAS MAGISCHER MOMENT

Ich freue mich riesig, euch alle einladen zu können nach so langer, viel zu stiller Zeit. Aber so ist das eben, wenn eine ihr Buch am 3. 3. 2020 veröffentlicht, also pünktlich zur Begrüßung von Corona. Lesungen fielen da erstmal flach. Aber am nächsten Sonntag lasse ich mein schräges Stimmchen erschallen und zwar im
Kulturhaus Taranta Babu, Amalien-/Ecke Wilhelmstr., 44137 Dortmund
Sonntag, 23. 4. 23 um 17 Uhr
Eintritt frei, Anmeldung nicht nötig (es sei denn, ihr wollt mit 30+ Personen kommmen.

Und darum geht’s: 1612 machte in Rom ein Vergewaltigungsprozess gegen einen Maler Furore. Sein Opfer war die junge Künstlerin Artemisia Gentileschi, deren Gemälden noch heute Rachephantasien nachgesagt werden. Immerhin: eine Frau, die mordende Heldinnen darstellte, wurde eine gefragte Malerin.

Artemisia Gentileschi: Judith + Autorin Astrid Petermeier

In der Jetzt-Zeit, in der schon das Schlürfen eines Cappuccinos als magischer Moment verkauft wird, betrachten zwei Frauen ein Bild dieser Künstlerin,

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Eieiei: Vorsicht vor Hasen

Eine Freundin schickte mir diesen Schokoladenreport. Ich kann nicht anders, als ihn euch zu lesen zu geben, denn da wird der Hase in der Pfanne verrückt:

„Ich war gerade einkaufen. Wollte auch nach Ostersachen für den Tisch und für die Kinder und Enkel schauen. Ostermontag frühstücken wir nämlich zusammen. Nervigerweise waren die Ostersüßigkeiten über den halben Laden verteilt statt alle zusammen zu stehen. Einige versteckten sich neben den Backzutaten und Nudeln, „Rewe feine Welt“ neben den Konserven und die Stars von Lindt dann natürlich in 2 – 3 Extraaufstellern + Hasenstraße von 2-3 Metern auf dem Weg zur Kasse… flankierend sozusagen… früher waren an solchen Stellen die Zollschranken. Beste Lage. Weiterlesen →


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Mit Bildern gegen Paragraphen

Am Kampf gegen den § 218 waren immer auch Künstlerinnen beteiligt. Anhand der Werke von Käthe Kollwitz, Alice Lex-Nerlinger oder Hanna Nagel kann die Sichtweise der Zeit zwischen 1900 und 1931 nachvollzogen werden. Es wird deutlich, dass es in dieser ersten Welle des Protestes um eine Klassenfrage ging: um den Zusammenhang zwischen Armut und Kinderreichtum.

Mit dem Faschismus und seinem Verlangen nach ‚Kanonenfutter‘ wurden diese Proteste nachhaltig zum Schweigen gebracht. Trotz hoher Todesraten in Folge illegaler Schwangerschaftsabbrüche war der § 218 auch in den 50er und 60er Jahren kein öffentliches Thema mehr.

Erst in den 1970er Jahren trat die Frage nach dem Selbstbestimmungsrecht über Körper und Lebensgestaltung in den Vordergrund. Künstlerinnen wie Maina-Miriam Munsky, Jula Dech oder Anke Feuchtenberger wandten sich mit Gemälden, Mail-Art, Ausstellungen und Plakaten gegen einen Paragraphen, der Frauen entmündigt.

Diese Bilderreise durch 150 Jahre Körperpolitik gibt’s als Vortrag, den ich am 28. März 2023  um 18 Uhr 30 im Frauenzentrum Neustadt/Weinstr. an der Hindenburgstr. 5 halten werde.

Zu weit weg für viele von euch? Dann biete ich zwei Möglichkeiten an:

1. Ihr könnt eine Kurzfassung als PDF lesen und zwar hier: 218_Vortrag.

2. Ihr ladet mich ein, den Vortrag – gern auch ausführlicher – bei euch zu halten. Dazu reicht eine Mail: anunsereine@astrid-petermeier.de

Ich habe außerdem eine sehr ausführliche Chronologie§218 zusammengestellt, die ihr als PDF runterladen könnt.

 


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Prösterken auf mein Jubiläum

Am 1. April bin ich ELF – 11 – elf Jahre trocken! Da sage noch mal eine, Aprilscherze würden flugs verfliegen. Die ersten Jahrestage wurden noch gefeiert, mit kleinen Ausflügen und anderen Belohnungen. Heute fällt mir ein: „ach, das ist ja morgen!“ Wenn ich im vergangenen Jahr nicht an Doris Dörries Schreibkurs teilgenommen hätte, hättet ihr jetzt Glück oder Pech (wie’s beliebt) und ich würde keine und niemanden behelligen. In diesem Kurs aber gab es das Thema „Schreib‘ über deine Sucht“. Habe ich jetzt über meine Sucht geschrieben oder über das, was ich danach erlebte? Das könnt ihr selbst beurteilen, wenn ihr die Kurzgeschichte BIS ALLE IST lest und wenn ihr es mir in Kommentaren mitteilt, würde ich mich riesig freuen.


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Reisend verlesen, lesen statt reisen, lesend verreisen

wenn das kein feiner Zungenbrecher ist – ganz unabsichtlich aus den Tasten geflossen.
Mit dem Sommerurlaub ist es in diesem Jahr so eine Sache: ich muss sagen, dass ich das Wort REISEN fast schon nicht mehr hören kann. Es kommt mir vor, als sei der Sommerurlaub in den Kanon der Menschenrechte aufgenommen. Wer es sich leisten kann, stürzt sich auf die deutschen Urlaubsregionen (da möchte ich jetzt auch nicht wohnen) und wer sich’s nicht leisten kann, stellt sich vor eine Kamera und jault.*
Dabei hindert uns niemand daran, im Kopf zu verreisen. Also zu lesen. Auf dem Sofa, dem Balkon oder im Park. Nach jedem Kapitel eine Runde spazieren, zappeln, rennen – für die Gesundheit, gegen die Corona-Plauze.
Buch-Rezensentin wollte ich noch nie werden. Aber euch meinen Lieblingsschmöker und ein paar selbst geschriebene Sachen empfehlen, das kann ich.

* Schon klar: jetzt wird mir meine arrogante Haltung um die Ohren gebürstet: 1. Zuhause kann man sich nicht erholen, weil z. B. dauernd der Chef anruft. Zwingt mich irgendwer, abzuheben? Hat der ein Recht, mich im Urlaub anzurufen? 2. Du hast ja keine Kinder. Richtig. Aber wer Kinder hat, hat sie auch auf Reisen. 3. Reisen bildet. Volle Zustimmung. Lesen soll der Bildung aber auch nicht gerade abträglich sein und wer mich jetzt noch auf das Elend der Touristikbranche aufmerksam machen möchte, kann gern meinen Beitrag „Der gebildete Fußabdruck“ lesen. Oder diese Sachen:
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Der gebildete ökologische Fußabdruck

Hilft Bildung wirklich für und gegen alles? Immerhin war Bildungbildungbildung in den vergangenen Jahren die Antwort auf viele Fragen. Umso erstaunter war ich, als ich in Aladin El Mafaalanis Buch „Mythos Bildung“ las, dass der ökologische Fußabdruck mit dem formalen Bildungsniveau beeindruckend größer wird.
Eine Untersuchung des Umweltbundesamtes zum Pro-Kopf-Verbrauch von Ressourcen (UBA, siehe Lit.) teilt die deutsche Bevölkerung in Milieus ein. Ich habe für diesen Beitrag die drei ausgewählt, bei denen der Bildungsstand ersichtlich ist und die zugleich die deutlichsten Bildungsunterschiede aufweisen: Weiterlesen →


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Melancholie in der Nordstadt

Eigentlich gehöre ich zu denen, die es gewöhnt sind, viel mit sich allein zu Hause zu sein und zu arbeiten. Dennoch ergreift mich in dieser Corona-Zeit oft eine Stimmung, die ich Melancholie nenne. Dörthe Binkert beschreibt Melancholie als eine Phase zwischen zwei Zyklen, eine Phase, in der ich mir das Alte, Vergangene vergegenwärtigen kann, um es in meine Erinnerung einzuschließen.

Ich habe überlegt, ob ich hier ein wenig zur Geschichte der Melancholie schreiben soll – vielleicht tue ich es noch. Dazwischen funkte mir mein altes Nordstadttagebuch, das ich hervor kramte, um Dörthe Binkerts Tipp zu folgen: vergegenwärtigen wir uns die Vergangenheit.

Teil 1 ist bereits abgetippt, weitere Teile werden folgen. Über Kommentare oder eigene Nordstadt-Erfahrungen würde ich mich riesig freuen.

Da morgen Ostersonntag ist, also der Tag der Auferstehung Jesu‘, an dem er frisch erstanden als erster Person Magdalena begegnete, möchte ich euch noch dieses Gemälde von Jacopo Pontormo ans Herz (an die Brust?) legen. „Noli me tangere“ – berühre mich nicht, sprach Jesus zu ihr und das scheint mir recht gut zur aktuellen Zeit zu passen. Dass Pontormo Humor hatte, steht auf einem anderen Blatt. Wer genauer wissen will, wer Magdalena ist und warum sie als Sinnbild der Melancholie gilt, kann dies gern in meinem neuen Buch „Magdalenas Magischer Moment“ nachlesen. (Sorry, ein bisschen Werbung muss erlaubt sein, denn andere Möglichkeiten des Buchverkaufs haben wir zurzeit nicht.)

Jacopo Pontormo, Noli me tangere, um 1560 (Abbildung aus wikimedia)

ich beziehe mich oben auf:

Dörthe Binkert: Die Melancholie ist weiblich. Hamburg 1995