Astrid Petermeier

Neues aus dem Rührgebiet


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KLIRRENDES JUBILÄUM ZUM ZWEITEN

schuesseln

Ich zitiere mal aus einer mail, die ich zum ersten Teil dieses Blogs bekam:

„Frau, was Du so alles überstehst. Ich bin froh, dass Du weiter schreibst, es geht ja nun mal nicht, einmal getipptes noch mal zu Papier zu bringen. Also mein Kopf kann das leider nicht. Es scheint so, als ob der in dem Moment, wo ichs hinschreibe den Speicher löscht.
Irgendwo habe ich aber mal gelesen, dass Liao Chiwu eine Roman noch mal geschrieben habe, das können nur Chinesen, dachte ich dann. Allerdings waren die Umstände sehr zwingend. Und Du? Schreibst Du einen Neuen?“

Kurze Antwort meinerseits: Einen ganz Neuen??? Hilfe!
Längere Antwort oder auch FORTSETZUNG:

Nach dem Einbruch vor einem Jahr habe ich meinen Roman WENN DU DIE GÖTTER AMÜSIEREN WILLST, MACHE DIR EINEN PLAN keineswegs aufgegeben. Mir war ja schließlich nur die erste Fassung, in der übrigens die Spurensicherung der Polizei bei einer Protagonistin alles einpudert, mitsamt Labtop geklaut worden.

Zwei Worte sollten in den Tagen darauf mein Hassprogramm werden:
Haftpflichtversicherung und Sicherungskopie.

Beides nicht vorhanden. Die Spurensicherung kam erst nachts um halb 12 (im Ernst! der 7.4.2013 muss ein verflixt diebes-intensiver Tag gewesen sein): mit einem Pinselchen gingen sie auf die Porzellanschale los, in der zuvor mein Goldschmuck weilte. Ich stellte ihnen zu diesem Behufe noch die Holzplatte meiner Küchenanrichte zur Verfügung, was ich bereuen sollte. Das Zeug klebt wie Hacke! Wer sich vorstellt, man könne dieses Puder mit einer Quaste aufnehmen und nochmals verwenden, ist aber schief gewickelt. Unsereine hat ordentlich schrubben dürfen, um ihre lackierte Holzplatte wieder in einen annehmbaren Zustand zu verwandeln.
Na, beim Putzen kommen mir ja immer die besten Ideen. Meine kleine Erleuchtung lautete:

ASTRID, DU EXISTIERST JETZT NUR NOCH IN GEDRUCKT.

Denn ich bin ja, wie man bei egostattvita nachlesen kann, eine Ausdrucksfetischistin. Ohne Drucker würde ich bekloppt – insofern sei’s den Göttern getrommelt und gepfiffen, dass die Einbrecher wenigstens diesen zurückließen. Ich kann am Bildschirm nicht Korrektur lesen.
Es soll Leute geben, die erstmal die Scherben zusammenkehren oder panisch bei Freunden unterkriechen oder sich gar eine neue Wohnung suchen. Tja, so ist unsereine aber nicht gepolt. Wenn man schon nur noch in gedruckt existiert, hockt man sich vor die Ordner und sortiert die Gliedmaßen.
Die erste Romanfassung nenne ich jetzt mal das Herz: es schlug noch!
Selbst eine kurze Beschreibung der schon lange nicht mehr existierenden Bahnhofskneipe CITITREFF AM FRÜHEN MORGEN lungerte unberührt zwischen Pappdeckeln, die ich mit „Miniaturen“ beschriftet hatte (da will ich ihr in den nächsten Tagen doch mal die Ehre des Abtippens, Korrigierens und der Veröffentlichung unter Kurzgeschichten geben.)

Meine Tätigkeit als ERMITTLERIN beschränkte sich auf zwei Dinge.
1. ich latschte von Büdchen zu Büdchen und bat die Besitzer, augenblicklich 50 € auf den Tisch des Hauses zu legen, falls ihnen jemand einen Acer-Labtop anbiete. „Wie?“ Hakan sah mich an, als hätte ich eins an der Waffel. „Ich soll nicht die Polizei rufen?“ Von mir aus konnte er auch das tun. Hauptsache, ich kriegte meinen Labtop wieder. Wenn er sich traute, den Dieb festzuhalten… Ich sah den Labtop nie wieder – ebensowenig, wie ich je erfuhr, ob die Polizei etwas mit den beiden Fingerabdrücken anfangen konnte.
2. ich fragte alle Nachbarn, ob sie etwas gehört hatten. Da ich nicht mal weiß, ob STRASDUJTJE Prost oder GutenTag bedeutet, kam ich damit nicht weit. Sonntags morgens um halb 10 scheinen alle dem russisch-orthodoxen Fernsehgottesdienst zu folgen (endlich habe ich mal eine Erklärung für den Schüsselwald in meinem Hinterhof: ist er nicht ganz bezaubernd?) Immerhin: einer hatte es um diese Uhrzeit scheppern gehört. Tja, da konnte ich doch wenigstens ein Horoskop für diese Stunde erstellen und das sagte mir mehr als alles.

Nordstadtromantik pur

Nordstadtromantik pur

Zwei Anrufe sorgten endlich dafür, dass ich in Wut und Tränen aufging.
Mein Vermieter war der Ansicht, dass meine Hausratversicherung für den Ersatz der Scheibe zuständig sei. Gaha! Anno 1993 erklärte mir eine solche Versicherung nach einem Brand, dass sie nicht für neue Tapeten aufzukommen gedenke, weil ich die beim Auszug ja nicht wieder mitnehme. Da entschied ich, denen auch mein Sauerverdientes nicht mehr in den Rachen zu werfen. Zwanzig Jahre später war ich zu logischen Kombinationen nicht mehr in der Lage. Sonst hätte ich mich vielleicht gefragt, ob ich etwa eine Terrassentür mitnehmen wolle, wenn ich mal umziehe.
Alles Kokolores, bei gewaltsamem Einbruch ist die Hausversicherung des Vermieters dran, zumindest, was den Schaden am Gebäude betrifft. Unser Hausmeister ist aber keineswegs so fürsorglich und krabetzig wie der Hausteipel, den ich als Romanfigur entworfen hatte. Der hätte sich garantiert um mich gesorgt statt um die Patte irgendwelcher Versicherungen. Als unser Hausi mir vorhielt, dass meine Hausrat oder ich schließlich auch zahlen müssten, wenn die Feuerwehr meine Tür aufbräche, weil ich tot dahinter liege, kam in mir die Wut hoch: ich habe schließlich keinen Schaden durch böswilliges Versterben verursacht. Die Attacke kam von außen!

Ich heulte gerade so richtig schön vor Wut, da rief meine Schwester an: ob ich einen Vize-Ersatz-Labtop brauchen könne? Es sei ein uraltes Möhrchen, aber funktionstüchtig. Oh Tränen, nehmet euren Lauf, Fluss, Strom. Das war der Moment, in dem ich spürte, dass ich außer meinem göttlichen Roman-Herz und jeder Menge papierner Knochen auch Wasser, Emotionen, eben alles, was zum Krebs gehört, in mir hatte.
Und als ich wieder zu mir kam, sagte ich mir: so, nun musst du nur noch alles wieder abtippen. Ach pah, nimm es als Hinweis der Götter: du wirst korrigieren, verbessern, eine zweite Fassung schreiben und die wird bestimmt viel besser als die Erste.

FORTSETZUNG FOLGT.


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KLIRRENDES JUBILÄUM

„Wieso pfeift dieser Schiri nicht ab? Ist bei dem Zuhause nix los?“
Ist ja ne Frage, die man sich durchaus stellen darf, wenn der BVB gegen WOB 2:0 führt. Ach, das war mal richtig schön neulich mit meiner ganzen Familie in der Porreebar. Ein Prosit auf die Frau vom Nachbartisch, die mich mit diesem Ausspruch beglückte.

Ungefähr so wie die Uhren dieses Schiris tickt auch meine innere Uhr. Da dachte ich, dass vor genau einem Jahr bei mir die große Scheibe zu Bruch ging und was ist? Vertan, vertan, sprach der Hahn, das war vor einem Jahr und drei Wochen. Da habe ich also mein Jubiläum des klirrenden Schreckens verpasst.
Ich hatte mir ein Auto geliehen, um in aller Frühe zu einem kleinen und keineswegs spaßigen Ausflug nach D’dorf (das bei uns ja Dummsdorf heißt) aufzubrechen. Bei der Rückkehr in meinen Hinterhof sehe ich es. Besser gesagt: glotze auf das, was mal meine große Glastür zur Terrasse war. Es ist eine Art Schockstarre: statt Angst spüre ich Unglauben, so als fügten sich die Scherben gleich wieder zu einer Scheibe zusammen. Mir fällt nur eine Frage ein: wieso ist das Hoftor eigentlich nicht verschlossen?
Ach so: es ist ein sonniger Sonntagvormittag und so ein Doppelglas mit zwei Wackersteinen einzuwerfen, muss einen Lärm sondergleichen gemacht haben. Die Wackersteine liegen noch da, als wären sie mehrfach von der Scheibe abgeprallt.
Zum Glück ist ein guter Freund bei mir, dem sofort einfällt, die Polizei zu rufen. Mir kommt nicht mal die Idee, dass die Einbrecher noch drin sein könnten, dass mir Gefahr droht. Sie sind es nicht. Ich sehe, dass ich jetzt keinen Fernseher und keinen Labtop mehr habe – beide Geräte ordentlich ausgestöpselt, die verbleibenden Kabel liebevoll über die Sofalehne gelegt. Keine Unordnung, kein Durchwühlen, kein Vandalismus.

Bumm, angekommen: auf diesem Labtop war die erste Fassung meines Romans mit dem Arbeitstitel:
WENN DU DIE GÖTTER AMÜSIEREN WILLST, MACHE DIR EINEN PLAN.

Bin ich nicht vor einem Monat noch stolz und glücklich gewesen, zum ersten Mal in meinem Leben so eine lange, große Geschichte „zu Ende“ geschrieben zu haben? Nicht, dass es die erste Geschichte war, die ich schrieb. Doch nie zuvor hatte ich diesen Punkt erreicht. Immer blieb eine Unzufriedenheit, ein so-geht-es-nicht.
ARRGH! Da fällt mir ein, dass auch alle anderen auf diesem Labtop sind. Weg! Alles weg!

Schreibarbeit aus zwanzig Jahren. Jetzt wäre es an der Zeit, eine Runde zu heulen. Oder an so dämliche Worte wie Sicherungskopie zu denken. Die Polizei lenkt mich davon ab. Wenn ich mal mit der Polizei zu tun kriege, ist eine blonde Polizistin mit Pferdeschwanz dabei. Das war schon so, als vor Jahren in einer anderen Stadt Vandalen mein Auto ruinierten. Das Großstadtrevier lässt grüßen.

Ich bitte sie, mit meinem Nachbarn zu sprechen. Der hört immer alles, sogar, wenn in der Nebenwohnung einer Yoghurt löffelt. Da ich ausgesprochen gern Yoghurt löffle und sogar nach Einbruch der Dunkelheit noch eine Tastatur zu bedienen wage, hat er mich noch nie zur „Nachbarin des Jahres“ gewählt (eine Musikanlage habe ich jedenfalls nicht und wenn, dann hätte ich sie sowieso nur bis zu diesem Tag gehabt). Seit vier Jahren protokolliert er jede meine Regungen, vom nächtlichen Gang zur Toilette bis zur Auswahl des Fernsehprogramms.
Am 7. April 2013 endlich kam sein Tag der Rache des kleinen Mannes: um Fünf, sagte er, habe ich mal wieder entsetzlich rumgelärmt. Danach will er fest geschlafen haben.
Die Polizistin ist beeindruckt davon, dass er Kaffekochen als Lärm empfindet, bei zwei dicken Wackersteinen in meine Scheibe jedoch ratzen kann.

Ich stelle fest, dass noch mehr fehlt. Das Portemonnaie aus meiner Schreibtischschublade (Inhalt 20 €, bin ja nicht reich). Mein Goldschmuck, bestehend aus drei winzigen Kettchen, die man sorgsam aus 5 Pfund buntem Modeschmuck herausgesucht hat. Soviel Zeit muss sein, nicht wahr? Ha, ihr Deppen, das Portemonnaie, das offen auf der Anrichte lag, das habt ihr wohl übersehen. Da war mehr drin!

Und noch was habe ich euch zu sagen:
der Fernseher war erstens Größe Mäusekino und zweitens sowieso kaputt. Versucht mal, eine DVD zu gucken und ihr werdet’s merken. Der Labtop war asbach-uralt, nämlich von 2007 und damals schon nicht das neueste Modell. Sonst hätte ich ihn wohl kaum als Dreingabe zu einem Händivertrag bekommen.
Zwanzig Euro, drei Goldkettchen und zwei Mal Elektronikschrott – da ward ihr aber mal richtig erfolgreich!
Ich gehe mit Gehässigkeit gegen das immer lauter werdende böse Wörtchen Sicherungskopiein meinem Kopf vor.

Verdorricht, ihr geschätzten Götter, was war euer Plan?