Astrid Petermeier

Neues aus dem Rührgebiet

Helmut Dreier: Weihnachtsvorbereitung

Helmut Weihnachtsvorbereitung.mp3

annaleicht@gnx.com
Betreff: Weihnachtsvorbereitung

Liebste Anna,

es hat mich echt gefreut mal wieder was von dir gehört zu haben. Schön, dass es euch gut geht.

Deine Frage nach meinen Plänen zu Weihnachten hat mich dann aber doch kalt erwischt.
Ich habe mir noch überhaupt keine Gedanken darum gemacht. Warum sollte ich auch?
Ich bin, wie wohl niemand besser weiß als du, Single, kann also tun und lassen, was ich möchte.
Klar, meine Mutter sieht das anders. „Da kannste doch mal wieder heimkommen!“
Eine Einladung verbunden mit einem Vorwurf. Da hab ich schon gar keine Lust mehr, trotz ihrer guten Küche und ihres Weinkellers.
Aber irgendwie hat sie ja auch recht. Wir könnten uns wirklich mal wieder einen netten Abend machen und außerdem tut sie sich, speziell an Heilig Abend, immer schwer mit dem Alleine-Sein.
Zu ihren Freunden mag sie nicht, weil sie glaubt, sie würde sich dort in die Familie drängen. Und Weihnachten ist schließlich ein Familienfest. Aber das ist ihr Problem. Deswegen muss ich nicht gleich die 500 Kilometer nach Kiel fahren.
Vater sieht das, Gott sei Dank, lockerer. Na ja, kann er auch, erstens wohnt er schon lange nicht mehr allein und dann ist er auch nicht der Typ für diese sentimentalen Anwandlungen.
Falls ich aber nach Kiel führe, würde er schon erwarten, dass ich bei ihm in Hamburg vorbei schaue.
So, und damit wären die freien Tage schon rum: Anreise Kiel 24.12., nachmittags am 25sten nach Hamburg und am 26sten bin ich dann spät abends wieder zu Hause, um am nächsten Morgen wieder ins Büro zu gehen.
Ja sicher, die Kollegen mit Familie haben Urlaub und irgendjemand muss den Laden ja am Laufen halten.

Du siehst, das ist kein guter Plan. Wäre aber immer noch besser als das, was Timo und seine Frau immer veranstalten müssen. Patchworkfamilie, du verstehst?!
Beide Elternpaare leben inzwischen getrennt. D.h. drei Weihnachtsabende für vier Besuche und alle wollen das Baby sehen. Wenn sich ans Fest nicht direkt ein Wochenende anschließt haben die Stress.
Da sollte die Politik mal tätig werden und Weihnachten den modernen Familienverhältnissen anpassen. Trauen sie sich aber nicht, da würde doch gleich der Arbeitgeberverband wieder aufheulen und der Einzelhandel sowieso, Umtauschgeschäft usw.

Jetzt, wo ich so drüber nachdenke, kommt mir ein Plan B.
Ich könnte zwei bis drei Freunde einladen zum Essen. Ich kenne in der Tat ein paar Leute, die, was Weihnachten angeht, ähnlich planlos sind wie ich.
So ein richtig großes Menü mit besten Zutaten und ausgesuchten Weinen. Mal wieder richtig konzentriert und lange an einem feinen Essen arbeiten.
Bei Lichte betrachtet ist Weihnachten aber vielleicht ein ungünstiger Zeitpunkt.
Möchte ich am 23sten am auf dem Markt am Stand des Jägers anstehen, um den bestellten Rehrücken abzuholen? Möchte ich nicht! Und wie soll ich bei dem ganzen Getümmel ordentliches Gemüse finden? Vor mir Frau Doktor, die sich nicht entscheiden kann, ob sie lieber Shi-Take Pilze oder Rosenkohl hätte, hinter mir die ungeduldige Omma, die mir alle zehn Sekunden ihren Einkaufsrolli in die Hacken fährt. Nein danke.
Außerdem ist mir mein Winzer lieb und teuer und ich möchte es mir nicht mit ihm verscherzen, nur weil ich die Weinberatung mit Probe zum Menü nicht schon Anfang November ausgemacht habe.
Es ist wohl grundsätzlich keine gute Idee an diesen Tagen das zu tun, was alle anderen vermutlich auch zu tun gedenken. Ich werde also weder in Familie machen, noch werde ich kochen und Gäste einladen.

Ich werde, glaube ich, einfach behaupten ich sei verreist. „Alte Freunde besuchen in Norwegen. Die haben ein Ferienhaus in den Bergen. Ja-ja, wild romantisch mit Schneegarantie. Nein, kein Telefonnetz.“
So, – und dann bleib ich einfach zu Hause, esse Knäckebrot mit Käse, trinke Tee, lese und setze mich endlich mal wieder ausgiebig ans Klavier.
Das kriegen dann aber vermutlich und leider die Nachbarn im Haus nebenan mit. Ich höre Frau Benrath schon klingeln. „So allein an Weihnachten, kommen Sie doch mal rüber zum Kaffee nachher. Unsere Tochter mit ihrem Kleinen ist auch da.“
Nichts gegen Benraths oder ihre Tochter und der Kleine ist echt süß, aber es liegt wohl außerhalb der Vorstellungswelt aller netten Nachbarn, dass man freiwillig für diese Tage die Isolation wählt. Was also antwortet man, ohne unhöflich zu sein?
Keine Ahnung! Also bringe ich mich besser gar nicht erst in diese Situation.

Der Ausweg aus dem Dilemma, scheint mir, ist zwar auch keine perfekte Lösung, aber irgendwie der einzig gangbare Weg aus dem ganzen Wahnsinn.
Ich werde einfach ins Büro gehen und so tun als sei nichts. Ich werde Ordnung schaffen, ein paar unerledigte Dinge abarbeiten und den Start ins neue Geschäftsjahr gut vorbereiten.
Ich werde mich jeden Morgen an der freien Fahrt auf den Straßen erfreuen, werde es genießen auf dem Parkplatz vorm Büro die Pole-Position besetzen zu dürfen. Ich werde arbeiten können, ohne ständig von der Seite angequatscht zu werden und es wird kein Telefon klingeln, das mich in meiner Konzentration stört.
Herrlich, wie Weihnachten und Ostern an einem Tag.
Falls du mit Paul zufällig in der Stadt sein solltest, könnt ihr gerne mal im Büro vorbei kommen. Ich mach uns einen Kaffee und ein paar Spekulatius werden sich sicher auch noch finden lassen.

Liebe Grüße und ein frohes Fest
Jörg

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